Verlorengehen
1
Ich kleide mich neue ein. Inklusive Mantel und Schuhe. Ich möchte mir eine neue Seele überziehen. Ich bin zwar noch nicht kalt, aber Feuer hab ich keines mehr. Holt mich ab und bringt mich zur nächsten Demo gegen Rechts!
2
Ich sperr mich in meinen Ritualen ein, die sich immer mehr verselbständigen und schleichend jegliche Flexibilität verscheuchen.Einfach losgehen – ohne vorher Gymnastik gemacht zu haben, ohne Zeitung gelesen zu haben, ohne Gesicht, Hände, Füße eingegcremt zu haben, ohne Zähne geputzt zu haben, ohne ein paar „wichtige“ Sätze aufgeschrieben zu haben – das ist jetzt unmöglich.
3
Mein Vater starb an einem Herzinfarkt, zwei Wochen nachdem bei der ärztlichen Untersuchung nichts Auffälliges festgestellt worden war.
4
Der Freund zeigt mir eine neue Gegend: Das Blumenthal und den Heurigen Vielnascher in Kollnbrunn. Man fährt einfach in Kollnbrunn beim Bauernladen rein. Der hat auch am Donnerstag offen, genau wie der Heurige. Die Weinviertler Hügellandschaft ist eingeklemmt zwischen der Autobahn, der Brünnerstraße und noch ein paar anderen Wegen. Man kann also nicht verlorengehen.
5
Mittlerweile wünschen mir schon mehrere Menschen von Herzen eine Wohnung in Wien. Es geht in Richtung ein Zimmer für mich allein.
6
Bin ich in 5 Jahren auch so? neugierig?
7
Meine Nachbarin sagt: „Ich bin sehr einsam, mir ist aber nie langweilig, weil ich so viel zu tun habe.“