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Ungezählte Male am Tag schmiere ich mir die Hände mit Desinfektionsmittel ein.
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Meiner Tochter fällt in den Weinkellern des Jura-Weinbaugebietes der viele Schimmel auf. Zudem lassen die Winzer*innen Naturhefen im Keller arbeiten und ziehen die Kellerkatze den Nirosta-Hygienevorschriften vor.
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Wir sind uns einig darüber, dass es mit der Digitalisierung und Robotisierung gleichzeitig ein anderes Programm geben muss. Ein dreidimensionales. Er spürt es in seiner Reinigungsfirma, ich spüre es im Krankenhaus. Je hygienischer die Abläufe werden, desto mehr bröselt der Mensch weg. Vor allem jene Menschen, die schon etwas länger auf der Welt sind. Manche Menschen werden selber zur Oberfläche, zum Hygienegegenstand, zu einer hygienischen Figur. Manche Menschen werden hochsensibel. Eine Zeit der Dreidimensionalität klopft an. Und eine Zeit der Fokussierung.
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Heute Morgen war ich im Jörgerbad. Schwimmen. In Unterwäsche. 20 Minuten lang. Das darf man zwar nicht, aber geschehen ist geschehen. Woher soll ich das auch wissen, bin ja fremd hier. Wie gut, dass ich nie nachfrage.
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Weil wir‘s grade so schön haben, breche ich einen Streit vom Zaun.
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Meine Mutter behauptet unter anderem, dass sich die Leute bei ihr im Haus so wohlfühlen, weil sie sich vor der Tür die Schuhe nicht ausziehen müssen. So geschah es unlängst, dass die beim Nachbarn arbeitenden Handwerker in den Pausen zu ihr zum Kaffeetrinken kamen und nicht zur Nachbarin. Das erfüllte sie mit stillem Stolz.
Die Häufchen Dreck, die sie dann am Abend immer mit einem Besen zusammenkehrt, lässt sie einfach liegen. Zum Einsammeln mit Kehrschaufel und Beser‘l hat sie keine Lust oder das Bücken in jedem Raum ist ihr zu anstrengend.
Auch ich lebe in einem Haushalt ohne Staubsaugerroboter. Auch ich ertappe mich dabei, diese Kehr-Häufchen zu machen, mit dem Unterschied, dass ich nicht allein lebe und deshalb die Hoffnung hege
a) mein Mann sieht, wie fleißig ich bin und
b) er es in anerkennender Weise wegkehrt.
Ist das Ganze eine vererbte Verhaltensweise? Auf jeden Fall ist sie ziemlich durchgeknallt.
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Ich krieg‘ die dunkel gefärbten Ränder unter meinen Fingernägeln nicht weg. Hab beim Hollerausdrücken vergessen, Handschuhe anzuziehen.
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… wieder eine Tür in mir, hinter die ich nicht schauen mag?