Weissensee, ein halbes Jahr später
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Ich sitze im Zug nach Venedig und bin versucht, einfach weiterzufahren. Aber Weißensee ist das Ziel, das mir am Herzen liegt.
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Ich komme an und muss mich einmal für zwei Stunden bewegen, rund um den See gehen. Der See wirkt wie ein Schallverstärker. Deutlich höre ich Baulärm und Traktorenmotoren, jeder Bauer bringt anscheinend jetzt den Mist auf die Feldern aus. Kurz bevor es zu schneien beginnt. Die Fische, schwimmen betont langsam im glasklaren See. Er hat wenig Wasser, sagen die Einheimischen. Alle entschuldigen sich, dass das Wetter nicht schön ist und alle warten auf Regen. Alle entschuldigen sich, dass kein Wirtshaus offen hat. Dabei tut es so gut, hier ohne Touristen zu sein. Ich genieße den Alleinstellungsstatus. Die vielen „Betreten – Verboten“ – Schilder und die vielen Pensionen (jetzt in der Zwischensaison geschlossen und gerade dabei, sich einen neuen Anstrich zu verpassen), suggerieren etwas ganz anderes.
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Im geräumigen Eingangsbereich meiner Bauernhof-Herberge steht ein Osterstrauch in einer Vase.
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Der Weißensee ist an der tiefsten Stelle 60 m tief, und 12 km lang. Es gibt Moor- und Sumpfwiesen, und Haubentaucher.
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Das Schilf macht die Landschaft pastellfarben. Sanft. Obwohl dahinter Berge hinaufragen. Die Drau hat diesen See ausgeschürft und eine Mur am richtigen Ort hat ihn aufgestaut.
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Hier feierte eine meiner Schwestern ihren 30er.
Hier haben meine Schwägerin und mein Bruder geheiratet.
Hier leben die Platzhirsche Knaller.
Hier haben wir vor einigen Jahren einen Familientag verbracht.
Hier war ich noch nie schwimmen.
Hierher fährt eine andere Schwester in den Urlaub.
Hier gibt es also noch eine Zwischensaison und einen Unterschied.
Hier gibt es einen Berufsfischer, der sich um das Wasser und die Fische sorgt, um das ganze Mikroklima des Sees.
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Es gibt zwei Möglichkeiten zu beobachten: Einmal: stillsitzen und der Bewegung der Welt zuschauen. Die andere: sich selbst bewegen und die Bewegung der Welt gar nicht so wahrnehmen.
Mehr Beobachtung gelingt mir beim Stillsitzen.
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Nebenan schreit eine Kindergärtnerin mit den Kindern einen Zauberspruch auf den See hinaus: „Der Weißensee bleibt sauber!“ Sie tragen einen Sack mit eingesammeltem Müll mit sich.
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Ich schlafe tief. Ich träume, dass ich nachts Besuch bekomme, der mich erschreckt, weil er plötzlich neben mir liegt. Ich wache verwirrt auf. Ich brauche 24 Stunden für mich allein, um mich davon zu erholen.
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Wir bestehen aus Körperpflege und der Idee des Fühlens, Sehens und Zeigens.
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Im Löwenzahn wird gekocht, was das Zeug hält. Acht Gänge. Benannt nach den Zutaten. Karpfen | Zucchini | Hanf | Staudensellerie|Entencannelloni | Asiasalat | Estragon | Limette Wild | Stangenbohnen | Karfiol | Salzzwetschke |Dunkle Schokolade | Kirsche | Pfeffer. Der Kellner ist neu und überfordert von der Vielfalt der Ingredienzien. Jeder Gang ist ein Gemälde. Wir lassen uns inspirieren und können es nicht lassen, die Jause am nächsten Tag genauso aufzutischen. Frankfurter Würstel | Kren | Schnittlauch | Brot |Senf |Paprika.
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Mitten im Frühling an einem See eingeschneit werden. Das passt zu uns. Für ein paar Stunden leben wir in einem Kokon. Wir sind sehr überrascht darüber, wie sich das alles so zuträgt.