Echo


1
Die Fotos zeigen mich mit 10 und 54 Jahren, Klammern meiner Geschichte.

2
Er meint, er sei ein Süchtiger, ein Besessener im Schreiben. Er habe es auch mit Alkohol probiert. Das sei eher etwas für Lyriker oder Maler, die das Echo des Unterbewussten zeigen wollen; ihm selber gehe es nicht um das Unbewusste, es gehe ihm um Erinnerungen.

3
Die alte Schmiede ergäbe einen schönen Ausstellungsraum. Sie verfällt in langsamem Tempo vor sich hin, zeugt in vielen schönen Details von einer vergangenen Zeit.

4
Ich komme spät am Abend heim und schleiche mich über den Hintereingang ins Haus. Die Weinbauvereinssitzung tagt (nachtet?) in unserer Küche und ist noch in vollem Gange. Ich bin schon zu müde um mitzureden, ziehe mich also in mein Zimmer zurück. Die Lage der Bauern und überhaupt die Lage aller Außenseiter werden besprochen. Ich kann die Männer reden hören. Einer ist sehr laut und emotional, ein anderer verwendet Vokabel, die ich von den anderen nicht höre, zwei kommen kaum zu Wort, sie können zuhören oder sind schon am Tisch eingenickt. Leo hat Namenstag. Ob ihnen die Jause, die ich vorher zubereitet habe, schmeckt? Die Situation hat etwas Liebenswürdiges an sich. Ich stelle mir die Hände und Gesten der Protagonisten vor. Welche Männer sitzen da am Tisch?

5
Meine Mutter sitzt allein in der Kirche und möchte still sein. Nach einer Weile setzt sich ihre Nachbarin zu ihr und schlägt vor, den Rosenkranz beten. Mutter stimmt dem Wechselgebet halbherzig zu. Dann fallen ihr die einfachsten Gebete nicht mehr ein und sie dichtet einfach etwas.

6
Wir fahren im Auto in‘s Tal meiner Kindheit. Wenn ich den Berg sehe, der hinter meinem Elternhaus hinaufragt, empfinde ich einen Schmerz, der mit nichts zu vergleichen ist. Hauptsächlich Wehmut und die Erfahrung der nicht gelebten Möglichkeiten. Ungestilltes Verlangen. Ähnliches sehe ich in den Augen eines Freundes von früher oder wenn ich auf der Empore sitze und in den Kirchenraum hinunterschaue. War mein Ursprung derart vielversprechend, dass tiefgreifende Enttäuschung übrigbleibt? Nein, Heftigkeit bleibt übrig. Später in meinem Leben ist nichts mehr so Einschneidendes passiert.

7
„Zum Fuattan miass ma wieda daham sein“, schreit meine Tante von der einen Talseite zur anderen.

8
Die Welt ist erklärbar.

9
Mit wie wenig Falten im Gesicht man als Kind auskommt!

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