Müßiggang


1
Während eines Müßigganges bin ich ins Wasser gefallen. Ein unbekannter Weg, eine dünne Eisschicht, die sich im Laufe der kalten Nacht gebildet hat und ein paar darüber liegende Schneeflocken. Der kleine Tümpel war nicht zu sehen und ich setzte unbekümmert meinen Schritt in diese Untiefe. So unvermutet und plötzlich, hüfthoch, in voller Winterbekleidung im kalten Wasser zu stehen, hat mich erfrischt. Ich kam mir vor wie ein kleines Mädchen, dem ein Missgeschick rote Farbe auf die Wangen pinselt.

2
Torgny Lindgren schreibt, man solle versuchen, im gleichen Tempo wie eine Bartflechte zu leben. Sie wächst 0,1 bis 10 mm im Jahr. Vor diesem willkürlich gewählten Hintergrund stelle ich mir täglich am Morgen die Frage, die mir unter den Nägeln brennt:  Was ist heute wichtig zu tun?

3
Die Vortragende versucht mir klarzumachen, dass ich unbedingt etwas tun müsse. Dass mir die Themen der Zeit zeigen würden, welche Aufgaben ich jetzt unbedingt zu erledigen habe. Dass ich für irgendjemanden gehen müsse. Dass ich Sinn durch den Einsatz für Andere erführe.
Während ich zuhöre, bewirkt ihre vernünftige Aufforderung zur Aktion bei mir eine immer größer werdende Abwehrhaltung. Das ist mir unangenehm. Dennoch würde ich alles unterschreiben, was sie sagt.
Wäre da nicht mein Lieblingsszenario im Kopf, dieses Hirngespinst: absichtsloses Nichtstun.

 

 

 

 

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