Zärtlichkeit
1
Im Versuch, mein Gedankenchaos zu ordnen, würde ich vier Bücher schreiben wollen. Wovon sie handeln müssten: von der Zärtlichkeit des Augenblicks, von der Unmöglichkeit, etwas festzuhalten, von der Farbe eines Libellenflügels und von deiner Hand auf meiner Wange.
2
Du verteilst blaue Wegwartenblüten auf dem weißen Leintuch und bemerkst dabei einen Zwirnfaden, den du mit einer leichten Bewegung zu Boden wischt. Du ziehst den Korken aus der Weinflasche. Sobald es dunkel wird, machst Du das Licht an. Danach gehst Du in die Küche, um die Suppe zu wärmen.
3
Ab dem Zeitpunkt, als ich bei der Hauptdarstellerin, die eine Zopffrisur trägt, jene Spangerl entdecke, die ich selbst als Kind getragen habe, nimmt er mich mit in seine Geschichte, der Film im Hauptabendprogramm.
4
Ich träume vom Stillsein, Schweigen, Aushalten.
„Kommen unmöglich. Lüge folgt“ schreibt Marcel Proust in seiner Suche nach der verlorenen Zeit.
Ist es ein Ausdruck von zärtlicher Gelassenheit, für zwei weitere Monate einfach still zu halten? Oder vielmehr ein Eingeständnis, keine Ahnung davon zu haben, was gerade geschieht?
5
Mein Wohlwollen gilt all jenen Menschen, die plötzlich ein vollkommen neues Betätigungsfeld bespielen: Contact-Tracing, ZOOM-Administration, Coronatelefon, Coronatestungen, Intensivstationen, Coronaimpfungen, und Kunst&Kultur.
6
Heute lege ich all meine traurige Empfindsamkeit in die verglühende Sonne, in die stürzende Schöpfung und in die Beobachtung meiner selbst.