Müde sein

1
Die Stunde des Wolfes (Ingmar Bergmann hat sie so genannt), also jene Spanne vor dem Morgengrauen, in der ich trotz Müdigkeit oft meines Schlafes beraubt bin, kehrt Düsteres hervor. Das Andenken der Aufgaben des anbrechenden Tages wird zur schweren Last – die Planung des restlichen Lebens zum Fegefeuer… Das alles schaff ich nie! Wie nur um Himmels willen schläft die Deutsche Bundeskanzlerin? Und wie schlafen all die Gestrandeten?

2
„…schade, dass Du nicht zu uns zu Besuch kommst, wir hätten auch Liegestühle zum Chillen und gute Musik vorbereitet…“

3
Die Erschöpfung am Ende des Tages, an dem ich alle meine Topfpflanzen neu versorgt und neu gestellt hab, die Erschöpfung am Ende eines Werkes, dem ich ein Stück meiner Seele anvertraut hab, die Erschöpfung am Ende eines Lebens, nach dem die Frau am Sterbebett sagt: „Ich bin froh erschöpft“.  Müdigkeit hat etwas Tröstliches.

4
Weinlese und Bescheidenheit schließen heuer einander aus. Diese Üppigkeit im Weinberg, im Keller und in der Küche ist unverschämt. Alles ist im Übermaß da. Ich fühl mich erschlagen von der Fülle.

5
Kinder laufen, junge Hunde laufen. Sie machen den Weg zehnmal. Sie denken nicht an Müdigkeit.

6
Gesetzt den Fall, ich finde meine ureigenste kreative Balance für die Bewältigung meines Tagwerkes, also jenen Zustand des Begehrens oder der Berufung,
so gehören unabdingbar dazu: Spielräume, Orte der Untätigkeit, Erholung und Sinn und meine große Erzählung. Ich weiß, dass das notwendig ist, um jene Fragen zu stellen, die sonst niemand stellt, um zu strahlen, um zu stehen.

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