Spintisiererei
1
Auf einem alten Schmierzettel stolpere ich über drei Sätze, die mir immer noch wichtig erscheinen: „Worüber denken Sie gerade nach? Worin besteht Ihr Schmerz? Vor dem zweiten Saunagang, den Körper einölen!“
2
Die verhaltene Erzählung seiner Geschichte legt sich verständnisvoll über die Schwere des Abends. Er ist ein schönes Geheimnis. Sein Vater war Maler. Seine Mutter verkaufte die Bilder des Vaters. Sie tat das mehr schlecht als recht. Um nicht zu verhungern, mussten sie manchmal Reis essen, in dem schon Ameisen herumkrabbelten. Sie zogen oft um, um den Schuldeneintreibern zu entkommen. Er hat noch eine Schwester und drei Halbgeschwister. Er wuchs in späteren Jahren in einem Heim für begabte Kinder auf. Da gibt es heute noch Beziehungen. Zum Beispiel zum Sänger von OPUS. Während seiner Studienzeit lebte er auch sehr bescheiden, gemeinsam mit seinem besten Freund, einem Filmemacher. Sie versuchten zum Beispiel, mit dem Öl einer Fischdose Eierspeise zu kochen. Die war ungenießbar. Mittlerweile ist er pensioniert. Dazwischen hat ihn die Kunst nie losgelassen, er hat sein Dasein als Bildhauer gefristet. Ein sinnreiches Dasein. Das genügsame Leben ist nach wie vor Teil von ihm. Er kocht meistens selber und geht seinen Spintisierereien nach, sammelt Dinge aus der Steinzeit, die er auf alten Wegen findet, webt Textilien aus Brennesselfasern, stickt Träume auf feinstes Leinen. Manchmal fährt er mit einer Freundin in die nächste Stadt, um ins Kino zu gehen. Ein Bruder besucht ihn ab und zu, denn die gemeinsame Mutter liegt in seinem Dorf auf dem Friedhof liegt. Er heizt wenig.
3
In Nexing am Teich neben dem Gasthaus wurden zwei große Weiden geschnitten. Die Sicht ist freier geworden. Um die wunderbaren Bäume ist es mir sehr leid. Sie waren Nistplatz für viele Tiere. Wahrscheinlich lässt sich die Eigenwilligkeit des Baumes schwer mit den gastwirtschaftlichen Interessen in Einklang zu bringen.
4
Das Cellokonzert im Kunst-Keller klingt schrecklich in meinen Ohren. So viel Avantgarde ertrage ich nicht. Außerdem scheint draußen die Sonne viel zu einladend.
5
Angesichts der Weltlage bitte ich ihn, mir zu helfen, lieber Kunst als Sozialarbeit zu machen. Aber vorher muss ich mir noch ein Anti-Juck-Shampoo kaufen.
6
Im Obergeschoss unseres Hauses werden die intimen Dinge aufbewahrt, die intimen Gegenstände, Gedanken, Bücher. Und wenn der Feigenbaum vor dem Fenster Früchte trägt, kann man sie hier vom Bett aus vom Baum in den Mund pflücken.