Triest

1
Ich habe noch nie in meinem Leben drei Stunden im Stau gestanden. Man verfällt dabei in eine selbstschützende Lethargie.

2
Der „Edammer“ auf dem Karsthügel, der zum Meer hin abfällt,  ist immer noch da. Er scheint unverwüstlich. Genauso wie die Spelunke mit dem Kunstgrasteppich auf der schmalen Mole.

3
Bei der Ankunft liegt ein Kreuzfahrtschiff im Hafen. Das entrüstet mich. Das freundliche Personal im Hotel Vis á Vis macht dieses Ärgernis wett. Eine Stunde später ist das Schiff verschwunden. Vielleicht habe ich mir das alles auch nur eingebildet.

4
Der Blick aus dem Hotelzimmerfenster fällt auf in eine schmale Gasse. Dort ist der Schriftzug „Ulysses“ angebracht. Eine poetische Spur ist gelegt.

5
Ein Spaziergang führt bergauf. Wir kommen ins Schwitzen und werden mit dem Ausblick auf den Hafen und das Meer belohnt. In der Kirche Maria Maggiore lauschen wir für einige Minuten den für uns unverständlichen Worten eines Priesters, der die Messe liest. Die Atmosphäre ist beruhigend. Immer wieder baue ich mir einen Leuchtturm aus den zum Teil schrecklichen Bausteinen der katholischen Kirche, die mir zur Verfügung stehen. Über diese Tatsache möchte ich nicht mehr viel nachdenken.

6
Der Mann in der Vinothek füllt uns für 3,5 Euro Wein aus der Zapfanlage ab. Das geht hier auch. Er schmeckt uns sehr gut, der Friulano, der Ribolla Gialla und der Prosecco. Selbst einige Wochen später wieder daheim im Weinviertel hat er nichts von seiner Frische eingebüßt!

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Kurz vor Miramare finden wir einen Parkplatz. Auf der Promenade tummeln sich die Badegäste. Wie (fast) immer strahlt die Sonne auf die Schlossmauern. Spektakuläre Architektur. Ich schwimme eine Runde und schaue mir Triest vom Wasser aus an. Viel Stadt ist da zu sehen.

8
Wir schöpfen wieder einmal aus dem Vollen. Mein Reisegefährte legt den großen Bogen Papier, auf dem das Periodensystem abgebildet ist, auf dem Boden aus. Ein weiterer Schritt auf der poetischen Spur dieser Stadt. Ich habe mir das so sehr gewünscht, wieder einmal hier zu sein! Man kann dazu nichts beitragen, dass das eigene Leben manchmal wie eine Operette daherkommt. Einfach ignorieren!

9
Aquileia ist wie aus der Zeit gefallen. Wir staunen über die Zedern des Libanons, die im Garten des Archäologischen Museums stehen. Eine mit massivem Mittelstamm und weit ausladenden Ästen, die gestützt werden. Die andere mit 7 Stämmen, die aus einem Wurzelstock wachsen. Auf jeden Fall gefallen mir die Bäume mindestens so gut wie die Mosaike, Grabbeigaben und Statuen. Goldringe fliegen mir zu.
Was ist nicht poetisch hier im Friaul? Die Politik? Ich denke immer wieder an Grado, es liegt in unmittelbarer Nähe.

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Unsere Agrotourismo – Zimmer – Vermieterin heißt Alissa und ist blutjung. Im Emailverkehr hat sie immer mit Luis unterschrieben, mit dem Namen ihres im Februar verstorbenen Vaters. Jetzt führt sie den Laden.

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Grappa schmeckt überall gut. Am besten nach dem Essen und Cividale del Friulano hält, was der Reiseführer verspricht. Kleines Städtchen mit viel Space für Schönheit. Der Spaziergang führt zum Wasser. Der Fluss nennt sich Natisone. An die 11. 000 EinwohnerInnen leben hier. Ein Hund wird im Kinderwagen vorbeigefahren. Die Hundebesitzer fotografiert die Szene.

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Unter dem Dom von Cividale del Friuli hängen einer Menge Kränze aus Efeu und Trockenblumen. Sträußen aus wilder Karde und Girlanden schmücken die Gassen und Laubengänge für das Fest am Wochenende. Die zwei Damen in der Bar gehen sogar zum Fluss hinunter, um frisches Grünzeug dafür zu sammeln. Sie tragen eng geschnittene Blusen mit tiefen Ausschnitten und stimmen sich und die Gäste auf das Fest ein. In der Pizzeria wird den ganzen Tag gebacken und über die Straße verkauft.
Wir sehen immer wieder Männer, die für das Fest vorbereiten – wahrscheinlich schon seit Tagen. Schilder montieren, Fahnen hissen, Sand aufstreuen, Buden dekorieren. Besprechungen abhalten. Der Alkohol fließt und die Milch in der Milchflasche, auf die man zu Hause wahrscheinlich schon seit Stunden wartet, wird sauer. Irgendwie denke ich an das Dörfchen Erdpreß, da gab es früher auch einmal ein Fest, mit legendärem Herrichten.

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Auf einem Bein zu stehen, das ist nicht leicht.

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Das Werner Berg Museum in Bleiburg liegt auf dem Weg. In ihm tut sich eine neue Welt auf. Die Welt der Christine Lavant. Dass ich eine empfindsame Frau bin, das ehrt mich. Man muss sich mit mir nicht abrackern. Drehe die Herzspindel. Ein Kreis schließt sich.

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