New York
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Die Reise beginnt, als ich am Morgen in Niedersulz in den Bus nach New York steige. Die Nachbarin, die zufällig an der Bushaltestelle vorbeikommt, fragt mich, wohin ich fahre. „Nach New York“, sage ich. Der Busfahrer spricht gebrochen Deutsch. So fühle ich mich schon während der Fahrt wie im Ausland. Der Chauffeur ist freundlich und bringt mich mit wenigen Zwischenstopps nach Dürnkrut. Die Nordbahn führt an der March vorbei. Stillfried. Auland. Gänserndorf. Wien, Rennweg, Schwechat. Für mich ist diese Reise der erste Flug über den Atlantik. Um 19 Uhr am Abend steigen wir aus dem Flugzeug und warten auf unser Taxi. Das ungemütliche Prozedere an den Flughäfen wird einem natürlich auch vertrauter, je öfter man fliegt – aber es ist auch wahr, wegen ein paar Vollidioten muss sich die ganze Welt an den Kontrollen entblößen. Dieses unwürdige Spiel müssen wir in Kauf nehmen. Wir nehmen ja auch den großen Luxus in Kauf, relativ einfach, ein paar tausend Kilometer in wenigen Stunden hinter uns zu lassen.
Das Empire State Building erscheint mit allem, was an Himmelstrebendem drumherum steht, gar nicht so hoch.
Am ersten Abend in der Stadt – eigentlich ist es schon 4 Uhr in der Früh – schneien wir in eine kleine Jazz-Bar, nahe unserer Unterkunft. Vier Musiker spielen hauptsächlich für sich und ein bisschen für uns. Es klingt perfekt. Genauso perfekt, wie der Cocktail schmeckt, den wir serviert bekommen. Er hat etwas mit Hemingway zu tun und schmeckt bekömmlich sauer. Ich brauche all meine Energie, um die vielen Unbekannten zu erkunden. Willkommen in Midtown.
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Das allein ist der große Traum von dieser Stadt: die Freiheit, zu werden, wer man sein will.
Das Zitat, von dem ich nicht mehr weiß, wer es ist, hat Anziehungskraft.
Im Museum of Modern Art zaubert mir die Videoarbeit der Amerikanerin Shana Moulton ein Lächeln auf die Lippen. Sie nennt das Video Meta/Physical Therapie (2023/24) und reiht darin Szenen der „Selbstfindung“ und deren Scheitern aneinander. Fast nichts gelingt. Helle Farben und fröhliche Musik bilden den Kontrast.
… Werke von Frida Kahlo und Louise Borgeois, die ich noch nie im Original gesehen habe.
… Eduard Hoppers Tankstelle
… Lord Rosses Riesenteleskop – ein Doppelnebel wie in van Goghs Sternennacht
… so viel Picasso und Cezanne und Modrean … und sogar Kokoschka und Schiele und Klimt und die Wiener Schule
…sich ein Gedicht vorlesen lassen (von Nick Cave oder John Cage oder Frank Zappa oder John Ashbery…), wenn man folgende Nummer wählt: +1(917)994 8949
…die wunderbaren Ausblicke – zuerst in den kleinen Garten und von Stockwerk zu Stockwerk immer imposanter und verrückter
…im Garten des Museums: ein kleiner Springbrunnen, den mein Reisebegleiter lapidar als „Wasserrohrbruch“ bezeichnet.
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Wir nehmen uns vor, noch einmal dorthin zu gehen, wo Hoppes Figur gerade tanzt.
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Seine Ausstellungen sind das Ergebnis strenger Säuberungen, bei denen er die Arbeiten auf das reduziert, was er für wesentlich hält.
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Ich bemerke meine Konzentration auf das Außen. Ich sammle, was ich kriegen kann. Heute krieg ich die Skulptur von Gertrude Stein im Bryant Park. Stein sieht aus wie ein Buddha im Sitz der Weisheit. Und daneben: Rose ist eine Rose ist eine Rose.
Ich sitze am Fenster eines Bistros am Rande des Parks. Der Park ist klein im Verhältnis zu den Häusern, die ihn umgeben. An den Bäumen, die grad dabei sind, Blätter auszutreiben, sieht man, wie hoch die Häuser nebenan sind.
Wahrscheinlich hat hier jeder Park etwas Märchenhaftes. Der Kontrast zum Betonmeer ist groß. Eine Stadt voller Häuserberge. Häuserschluchten. Der Blick geht immer nach oben. Der Nacken wird steif. Der Bryant Park wirkt weich, zart. Wir besuchen die Publik Library und stoßen auf ein Gemälde von Mihály von Munkácsy, das den erblindeten Poeten John Milton zeigt, wie er seiner Tochter diktiert. Die Stuckaturen sind aus geschnitztem Marmor, die Tische sind aus schwerem Holz, die Böden sind dunkel.
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Meine Schwester erinnert mich daran, dass Maria Lassnig einige Jahre in New York gelebt hat, Jahre, die für sie und ihre Arbeit von großer Bedeutung waren. Meine andere Schwester bemerkt das Foto von Gertrude Stein, das sie im Fotoblog entdeckt hat.
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Im österreichischen Kulturinstitut kann man ausstellen, hat mir eine Freundin erzählt.
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Wie das klingt! „Heute nehmen wir die 5th Avenue, nicht die 6th”
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Die Putzfrau weckt mich während des Mittagsschlafes auf. Hier werden die Zimmer also auch erst am Nachmittag zusammengeräumt. Die sechs Stunden Zeitverschiebung merke ich heute noch nicht. Ich orientiere mich mehr am Licht, also an der Sonne, als an der Uhrzeit.
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Ich höre im chaotischen Klangteppich, der mich umfängt, was ich nicht sehe. Zum Beispiel 170 verschiedene Sprachen.
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Und ohne dieses Spielzeuggeld geht gar nichts? Wie weit hat es die Menschheit denn gebracht! O mein Gott! Wer nicht zahlen kann, muss gehen! Unten ist der Dreck und oben ist das Geld.
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Hast du Angst auszubrechen?
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New York ist voller Romantiker. Andere würden wahrscheinlich gar nicht erst hierher kommen. Jeden Moment kann etwas Außergewöhnliches passieren, und nicht jede Überraschung verändert das Leben. Oft ist das Überraschende nur eine Geschichte. New York ist natürlich auch eine Abstraktion (Geld, Gier, Krise, Luxus, Werbung, Mode, MusikMusikMusik, Superlative…).
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Die Hässlichkeit der Stadt ist wunderbar.
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Mehr oder weniger Ausschlafen im Hendricks in der 38th Straße. Das Zimmer liegt im 15. Stockwerk. Von Lärm war heute Nacht keine Spur.
Wir frühstücken in einer kleinen Bäckerei, die meisten Leute holen sich Kaffee und einen Snack und essen im Gehen. Wir schauen uns ein paar markets an. Es wird alles gekocht und angeboten und mitgenommen – nach Hause, ins Hotelzimmer, auf die Straße. Aus den Kanaldeckeln steigt Dampf auf. Es hat 10 Grad, die Kleiderfarbe der New Yorker*innen ist schwarz. Auf der Straße lernt man, wie die Menschen sind. Acht Millionen Menschen sind ein öffentliches Geheimnis, die Straße, das ist der riesige öffentliches Raum New Yorks.
Alle, die nur können, nutzen ihn. Die Menschen sind zuvorkommend und freundlich. Die Menschen halten sich an Regeln. Man hält sich an Regeln. Dazu gibt es viel mehr Ordnungshüter*innen als in Europa – allerdings sind sie viel freundlicher als bei uns und mahnen dezent, wenn jemand an falscher Stelle Alkohol trinkt oder raucht. Ist es schlimm, das als angenehm zu empfinden, diese öffentliche Zurückhaltung?
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Naturgemäß gehe ich, wenn es zwei Richtungen gibt, zu 100 Prozent in die falsche. Das ist nicht gut und meistens nicht lebensgefährlich, wenn jemand da ist, der sich auskennt.
Wir gehen den Broadway entlang – am Madison Square Garden kriegt man die Augen kaum zu. Im Garten blühen die verschiedensten Bäume. Es ist Frühling und wir tragen Winterzeugs. Wir finden den Metropolitan Life Tower, der an den Campanile am Markusplatz erinnert. Wir finden das Denkmal des Senators Roscoe Conkling, der bei dem großen Schneesturm 1888 ums Leben kam, wir finden das Holocaust-Denkmal an der Fassade des Berufungsgerichts. Wir sehen eine alte Uhr an einer Hausfront und ein paar Eichkätzchen. Wir sehen das Flatiron Building, eingerüstet, weil es sich einer Restaurierung unterziehen muss, wir sehen eine LED-Lampen-Animation von T-Mobile, die meinen Reisegefährten daran erinnert, dass auch er so etwas Ähnliches in seiner Firma für betriebsinterne Präsentationen installieren möchte.
Wir gehen die Madison Avenue wieder runter und finden eine „little church of transfiguration“. Der 30-stöckige Turm daneben ist wahrscheinlich nicht mehr wert als dieses winzige Fleckchen Erde – zwei dezente Kapellen ein Pfarrhaus, ein englischer Garten. Das passt sehr gut zusammen.
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Heute serviert man uns in einer Zuckerbäckerei ein unübertrefflich salziges Beigel zum Frühstück. Der Spaziergang zum Times Square führt an den großen Musikhallen am Broadway vorbei. Nichts lockt uns hinein. Die Reklamewände leuchten grell. H&M. M&M’s. Die zwei Touren auf den Hop on/Hop off Bussen geben einen informativen Überblick. Sollte ich so etwas auch in Wien einmal angehen?
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Ich bin beeindruckt von Little Island, dem Blackbird im Intrepid Museum in der 12th Avenue und dem Friedhof bei der Dreifaltigkeitskirche.
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Der Sound der Stadt und die unaufgeregte Freundlichkeit der Menschen, das alles zusammen löst bei meinem Reisebegleiter einen Kulturschock aus.
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Wir laufen an einem Pop-up-Store mit lustigen Klamotten vorbei. Wir essen von Papptellern und trinken aus Pappbechern. Die Suppe zum Mittagessen wärmt.
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Draußen sein. Keine Kopfschmerzen haben.
Ich packe zu viele Dinge in einen Tag.
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In New York ist man unerschrocken gegenüber schlechtem oder kaltem Wetter. Das Klischee der dicken Menschen hat sich noch nicht bestätigt. Das Klischee des Gigantismus schon.
Trotzdem bin ich überrascht darüber, dass auch hier nur „Welt“ gespielt wird und bis auf die Häusergebirgslandschaft alles sehr vertraut wirkt. Es mag an der nicht allzu fremden Sprache liegen und daran, dass die Menschen eine sehr unkomplizierte Höflichkeit an den Tag legen – egal, ob in den Geschäften, bei den Warteschlangen oder im Straßenverkehr. Ohne mürrische Laune. Das ist wohltuend. So kann man auch mit dem Tempo auf den Straßen gut leben. Oder habe ich schon so viele Ami-Serien gesehen, dass sich Vertrauen einstellt?
Der Ausblick auf den Bryantpark berührt mich. Heute bin ich schon zum dritten Mal oben am Fenster des Supermarkets. Es fühlt sich schon so wie Heimkommen an. Besonders gut tut das nach einer Busfahrt, bei der uns der kalte Wind um die Ohren bläst. Der Blick fällt auf das nachmittägliche Treiben im Bryantpark. Mein Blick fällt wieder auf die New York Public Library. Ist hier der Frieden zu Hause? Alles ist still. Kaffee wird in Pappbechern serviert. Randvoll. So ist es hier überall.
Ein Viertel der Autos auf der Straße sind Taxis.
Ich sehe Rikschas an mir vorbeifahren. Kein öffentliches Bier. Mein Mitfahrer versucht trotzdem, das Verbotene mit Inbrunst zu tun. So versteckt, wie es hier wohl viele tun.
Kinder holen Buntstifte und Blätter zum Ausmalen. Das kleine Mädchen holt sich das Blatt mit der Freiheitsstatue, der kleine Junge die Brooklyn Bridge. Obwohl der Mensch hier bei so viel Kunst, Architektur und Stadt sehr klein wird, wirkt er dann umso mehr, wenn er sich äußert. In Form von Musik. Oder beim Ausmalen einer Freiheitsstatue.
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Vor mir läuft eine schwarze Taube mit roten Füßen.
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Die friedliche Stimmung findet sich auch im Oculus wieder. Sie geht vor allem von vier Menschen aus, die zusammen musizieren. Plötzlich sind auch alle Menschen hell und weiß, wie das Gebäude. Alles wirkt leicht komponiert – die Farben, die Formen, die Beziehungen. Wir reden immer davon, wie man Altes mit Neuem verbinden kann – das können sie hier. In dieser Stadt gehen Alt und Neu organisch ineinander über. Die Architekt*innen müssen Genies sein. Und große Ästheten.
Der Weg führt uns weiter zu den zwei Twin-Tower Gruben, eine mit Wasserspiel eine ohne. Jene, die ganz stillsteht, wird dem Zweck gerechter, jene mit dem Glitzern des Springbrunnens verbreitet zusammen mit dem neuen 500 Meter hohen Worldtradcenter und dem zarten Oculus Hoffnung.
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Mein Reisegefährte hält nicht viel von Georgia O’Keeffe, glaube ich.
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Natürlich kaufen wir eine Subwaycard. Und mit der U-Bahn zu fahren ist ein Vergnügen. Jedenfalls tagsüber. Die Inneneinrichtung der Subway ist unterwäscheblau und mit viel Silbermetallic-Aluminium versehen. Der Boden ist schwarz, die Wände grau. Alles solide und schlicht. Unkompliziert fährt man mit hoher Geschwindigkeit größtenteils unterirdisch durch die Stadt. Viel genutzt und demokratisch. Ich bin beeindruckt. Wenn man oben auf der Straße geht, spürt man deutlich, wie die Straße vibriert, wenn der Zug durchfährt. Selbst im Coffeeshop vibriert der Tisch.
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Mein Reisegefährte ist genauso rastlos wie ich. Wir wollen nichts verpassen. Aber ich weiß nicht, ob ich den Joint, den ich mir gestern gekauft habe, noch rauchen kann. Rauchen und Trinken in der Öffentlichkeit ist hier eigentlich nicht erlaubt. Die Amerikaner sind da sehr streng.
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Es ist 17 Uhr und ich bin schon wieder wie erschlagen von den vielen Eindrücken. Central Park. Guggenheim Museum. Die große Ausstellungshalle wird gerade umgebaut und für eine neue Ausstellung vorbereitet. Das ist vorerst einmal enttäuschend, weil dadurch besondere Räume nicht zugänglich sind. Es ist nicht ungewöhnlich, ein sehr schönes Bild zu sehen und davon begeistert zu sein. Ich sehe zum ersten Mal „Eine bügelnde Frau“ von Pablo Picasso. Ich bin beeindruckt von den Bilderrahmen, die zu den Bildern ausgewählt sind. Monet. Und noch einmal ein Bild von Van Gogh – kurz vor seinem Tod gemalt. Es prangt an der Wand, tubengrob und charismatisch von einem absoluten Könner dahingeworfen. Ein stilles Landschaftsbild von Pizarro. Auch das spricht mich an in dieser tobenden Großstadt.
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Es war alles ganz albern, aber es gefiel mir. Ruhm, wie bescheiden er auch sein mag, geht unweigerlich mit Neid und Grausamkeit einher.
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Unerwartet kommen wir in der St. Pauls Chapell in den Genuss eines Konzertes. Der Bandleader Billy Hart ist 83 Jahre alt. Ein schöner Grand Sir auf dem Schlagzeug. Wir trauen unseren Ohren nicht. Perfekter Jazz. „That’s New York!“, sagt ein Mann lachend und kopfschüttelnd vor Staunen, als er das Konzert verlässt und freut sich. Mit 100 anderen.
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Am Grand Central hören wir wieder einer Band zu. Sie spielt viel dreckiger als die Truppe in der Kirche. Eine Traube von Passant*innen trifft sich, swingt mit. Viele werfen Geld in den aufgestellten Topf. Heute, am Montag, merkt man, dass die Stadt wohl nie schläft. Die Straßen sind voll. Und der Großteil der Menschen besteht nicht aus Touristinnen.
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Die Pflanzen in den Parks und Gärten sehen aus, als wären sie genmanipuliert. Die Tulpen stehen stramm. Sie sind viel höher und größer als in Europa. Das Gleiche gilt für die Maiglöckchen. Nur die Knoblauchrauke wächst so, wie ich sie kenne.
Der Central Park ist natürlich ein Kunstwerk und kein Park. Eine Parkanlage, an der an jeder Ecken herumgeschnipselt und gepflanzt und getan wird. Die Schildkröten am Jacky Kennedy Water liegen in der Sonne am schrägen Betonufer. Sie wärmen sich auf. Die amerikanischen Rotkehlchen (Amerikanische Wanderdrossel) sind doppelt so groß wie die europäischen. Alles ist groß und doch nicht so groß, wie ich es mir vorgestellt habe. Anders groß. Die Blumenbeete, die hier überall unter den Bäumchen gepflanzt sind, sehen aus wie kleine Gräber. Sie sind auch so eingefasst mit einem massiven schwarzen Metallzaun.
Die weitgehenden leeren Räume funkeln von ihren heftigen Säuberungsaktionen. Eine durchscheinende Glasvase steht auf einem schlichten Tisch, den sie gebaut und dunkeltürkis lackiert hat.. In der Vase stehen zwanzig knallrote Tulpen.
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Ich lese „Was wir liebten“ von Siri Huustvedt, der Frau von Paul Auster. Ich gehe in den Straßen spazieren, die im Buch beschrieben werden. Es ist ein großes Glücksgefühl, das zu können, mir das zu gönnen. Paul Auster stirbt genau dieser Tage.
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Die Stadt schafft es, mich vollkommen aus meinem Alltag herauszureißen. Das Schöne an dieser Reise ist zudem, dass sie mich viel weniger müde macht, als meine Arbeitswochen daheim während eines ganz normalen Tages. Da gibt es keine leeren Phasen. Immer ist irgendetwas, ein Termin, eine ausstehende Aktion. Hier kann ich ausschlafen und sogar etwas herumkugeln im Bett am Morgen und noch so tun, als ob ich alle Zeit der Welt hätte. Ich sollte an meinem Alltag was ändern, dass ich zu mehr Ruhe komme.
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In einem koscheren Supermarkt entdecke ich einen echten Sederteller. Er wird dort zum Verkauf angeboten und sieht fast so aus, wie wir ihn damals zu Gründonnerstag für die Schulkolleg*innen unserer Kinder vorbereitet haben! Wie lange ist das her!17
Die Schiffstour auf dem Hudson hat ihren überwältigenden Augenblick, als wir an der Freiheitsstatue vorbeifahren, obwohl ich vorhatte, mir dabei nichts Großartiges zu denken.
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Ich muss immer daran denken, dass die New Yorker*innen gar nicht am Wasser sein wollen. Auf der Manhattan Bridge sind wir am Wasser, aber wir sehen es nicht, wir fühlen es vielleicht. Brooklyn. Wie klangvoll der Name. Verheißungsvoll. Wir sitzen in einem Café am Verkehrsstrom. Wir entdecken eine kleine Ecke mit gelben Tischen und Sesseln, die so einladend wirken, dass ich mich setzen möchte. Wir hören das Rauschen von der Manhattan Bridge – es ist kein Lärm, es wirkt wie Musik, Klang, Rhythmus. Man sieht hier keine abgefuckten Autos. Und jedes Auto ist pikobello sauber. Die LKWs sind eine Augenweide. Jene mit den Schweineschnauzen vor allem. Großzügig schöne Menschen gehen vorbei. Die Sex and the City Frauen sehe ich nicht.
Eine Frau in Morgenmantel und Schlapfen holt sich ihr Frühstück. Jedes Eckerl an der Straße wird genutzt, um sich hinzusetzen und zu arbeiten oder einen Kaffee zu trinken. Die Manhattan Bridge ist zweistöckig. Wir hören einen unverwechselbaren Sound aus Zug-Schienenpoltern, Autos, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen, die auf der Brücke unterwegs sind.
Mein Reisegefährte gibt sich bei der Kaffeebestellung als Jose aus. Das ist ein Name, den jeder leicht aussprechen kann. Es ist wichtig, wenn man aufgerufen wird, das Bestellte abzuholen. Der Bio -Supermarkt gleich bei der York Station in Brooklyn lockt mich mit einem Wrap. Der Teig ist hauchdünn und dick mit heißen Köstlichkeiten gefüllt. Es schmeckt mir vorzüglich und macht den kalten Wind erträglich. Der Flohmarkt unter der Manhattan Bridge überfordert mit seinem großen Angebot. Und doch ist es anregend, ihn entdeckt zu haben. Aus einem der Lautsprecher hören wir den jungen Michael Jackson.
Mein Reisegefährte verliebt sich in die kleine Galerie. Ein Raum wie eine Bibliothek, wie ein Café, wie eine „mothers kitchen“, wie ein schöner Ausstellungsraum, wie ein kleiner Laden.
An der Brooklyn bridge am Abend:
Mein Reisegefährte sieht eine Fledermaus in einem Baum hängen. Es stellt sich heraus, dass es ein kaputtes Plastikteil, vielleicht ein schwarzer Luftballon ist.
Kulcsar bedeutet Schließer oder Schlüssel.
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Man isst hier mit Vorliebe gekochte Eier.
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Wir besuchen den Prospekt Park. Rusten. Wasser. Große Grünflächen. Baseballkinder. Wieder viele orthodoxe Juden, sie fallen am meisten auf in den bunt durchmischten Menschengruppen, die im Park das Grün suchen.
Nahe des Parks finden wir ein Lokal, das typisch amerikanisch anmutet. Der Burger ist mit viel gutem Fleisch gefüllt und die French Chips schmecken knusprig. Frisch herausgebrutzelt eben. Die Musik im Lokal berührt mich. Es ist Freitagnachmittagstimmung. Meinem Reisegefährtne gefällt diese Atmosphäre. Es scheinen Einheimische zu sein, die sich hier einfinden. Manche unterhalten sich über die Tische hinweg. Wir hören nur amerikanisches Englisch. Dieses tief sitzende Grummeln. Leas Hosengeschenk an mich – diese Glitzerdinger – die gefallen den Leuten hier. Die Kellnerin und ein weiblicher Gast sagen zu mir: „I love it!“.
„snuggle up und all seating is communal und you gave me cash!“, lese ich auf kleinen Tafeln, die an der Wand hängen.
Die Dollarscheine ähneln einander. Es ist nicht auszumachen, welchen ich grad in der Hand halte, wenn ich nicht genau hinsehe.
In den Außenbezirken nimmt man das mit dem Alkohol nicht mehr so ernst.
Kombucha ersetzt mir Alkohol. Dieses fermentierte Zeugs. Auch das wird hier in Dosen verkauft – nicht aus der Flasche. Und man darf nur sehr verhalten beobachten, also lass ich mich nicht beim Beobachten erwischen. Es ist allerdings klar, dass man umgekehrt auch beobachtet wird – richtig dörflich. „I like your pants“, hör ich noch einmal.
Zusammenkuscheln!
Alle Sitzgelegenheiten gehören allen!
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Ich mag diese kleine Szene. Ob meine Erinnerung genau stimmt oder nicht, sie hat eine Schärfe, wie nichts von dem, was ich mir heute ansehe.
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Ich bin allein unterwegs mit der Linie F, die ab und zu auch nach oben fährt. Wie durch einen Guckkasten blicke ich zurück auf die Wolkenkratzer von Manhattan. Und hier: Weniger hohe Häuser – viele palazzoartige Gebäude, die wieder an Venedig erinnern. Auf der Linie F liegt der Greenwood Friedhof – ich sehe ihn durch das Fenster. Die Station heißt Ft Hamilton. Die nächste Church Avenue. Die Endstation: Coney Island. Kaum jemand fährt heute da raus. Es gehört sich wohl nur am Wochenende. Überall laufen Klimaanlagen. Es fühlt sich so frei an, mit der Subway durch die Stadt zu fahren. „Raus aufs Land“. Coney Island ist 1 ½ Stunden vom Briant Park entfernt.
Ich denke, es ist zum Teil Neid, dass Amerika nicht beliebter ist. Dass New York so ein komisches Image hat. Diese Reise macht uns neugierig auf die Menschen und die Welt, in der sie leben Es dürfte gut sein, nicht alles einem Sozialstaat zu überlassen. Es dürfte die Menschen anspornen, selbst etwas zu tun. Amerika steht auf den Schultern vieler Sklavinnen und Sklaven? Vieler arbeitender Menschen? Vieler fleißiger Menschen? Vieler kreativer Menschen? Tragen hier alle Waffen?
Mir scheint ich bin bald die Einzige, die bis zur Endstation fährt. Es zieht mich zum Atlantik, weil er so nahe ist. Kalt, windig, salzig, sandig und sonnig ist‘s da. Eine Meile der Vergnügungen. Die Saison beginnt erst in einigen Wochen, mit etwas wärmerem Wetter. Ich schaue auf eine vorgelagerte Insel, dem Breezy Point, die allein schon deshalb anziehend wirkt, weil man angeblich sehr schwer hingelangt. Am Strand beobachte ich ein Schiff, das direkt auf mich zufährt. Dieser Anblick erinnert mich an einen dystopischen Film, den mir ein Arbeitskollege empfohlen hat. Leave the world behind. Es hat mich damals erschaudern lassen. Das Schiff fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf einen Strand zu. Die Menschen konnten sich im letzten Moment retten, weil sie erst sehr spät merkten, dass das Schiff nicht vor Anker ging, sondern mit voller Wucht an Land fuhr. So fühle ich mich jetzt hier am Strand von Coney Island. Aber nur kurz.
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Es entströmte ihm eine raumgreifende Intensität. Ich kämpfe um Raum, ersinne mir scharfsinnige und gedankenreiche Kommentare und sage sie immer viel zu spät.
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Zum Ausklang in Brooklyn suchen wir zwei Bars aus. Eine für junges Publikum. Ich trinke einen Dirty Martini, ohne zu wissen, was das ist. Martini mit Gin und einer Olive. Und Salz. Schmeckt furchtbar. Der Negroni in der Bar nebenan ist für Erwachsene. Hier hinterlassen wir Postkarten von uns.
Martini dirty: nie wieder, auch wenn sich nach dessen Genuss die Stimmung klärte.
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Die US-amerikanischen Menschen mit schwarzer Hautfarbe sehen sehr gut aus. Zumindest jene, die nicht zu viel Junk-Food in sich inhalieren. Und wie gut sieht ein Silberring mit Steinchen an einem dunklen Finger aus! Ich sehe ihn an einem Mann in der U-Bahn. Ich bin es nicht gewohnt, mit vielen Menschen verschiedener Hautfarbe unterwegs zu sein.
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Per E-Mail kommt die Nachricht, dass unser Buch in Wien fertig ist. Und ich verliere einen liebgewonnenen Goldanhänger. Mein Reisegefährte meint dazu, dass sich vielleicht jemand über dieses Schmuckstück freuen würde, und nun trägt es eine Frau hier in New York. Sofort bin ich mit dem Verlust versöhnt.
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In fünf Jahren schuf sie über zweihundert Kästen. Sie baut Märchenkästen. Jeder enthält eine Geschichte.
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Ich bitte sie, für die Ausstellung einen Essay zu schreiben. Der Essay wird bei der Vernissage in gehefteter Form verteilt.
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Ein Bild verwirklicht sich erst in dem Augenblick, da es gesehen wird.
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Im Park wird Regenbogengymnastik mit bunten Tüchern gemacht. Die Sonne brennt heute zum ersten Mal vom Himmel herunter. Wir sitzen am Brunnen und schauen dem bunten Treiben zu.
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In der Nacht schlafe ich tief. Die Stadt ist aus dem Bett vernommen nicht laut.
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Der Ausflug in die Bronx zeigt ein völlig anderes Stadtbild. Spanisch scheint die Hauptsprache zu sein, der Großteil der Bevölkerung ist schwarz oder dunkelhäutig. Wir sehen uns für eine Viertelstunde das NY Yankees Stadion an – das mache ich meinem Sohn zuliebe.
Wenn man von der Subwaystation rauf kommt, ist eine Überraschung sicher. In dieser Stadt tut sich immer eine neue Welt auf. In der Bronx ist es die Stahlkonstruktion, die die Hochbahn trägt. Monumental und doch leicht, weil sie so viele Zwischenräume zwischen den Eisengerippen lässt.
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So viele U-Bahnstationen tragen Namen, die ich in irgendeiner Sequenz in einem Reiseführer gesehen habe. Überall könnte ich aussteigen. Und etwas sehen, was ich noch nie gesehen habe.
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Ich habe ein gutes Gefühl dabei, für die Menschen daheim zu shoppen:
In einer ziemlich cool abgefuckten Straße kaufen wir für die Tochter die gewünschte Jean. Dass sie ihr nicht ganz genau passen wird, nehme ich in Kauf. Das Brooklyn Nets Leiberl für den Sohn finden wir ein paar Straßen weiter, auf dem Weg zu jenem Platz, von dem der Reiseführer behauptet, dass es dort Hühner gibt. Wir finden den Platz! Die Hühner finden wir nicht. Es stört uns nicht. Die Geräuschkulisse allein macht glücklich. Eine Frau sitzt auf einer Parkbank und telefoniert selbst dann noch, als wir nach einer großen Runde wieder zum Hühnerplatz zurückkommen und ein Mittagessen zu uns nehmen. Ein Eiswagen fährt vor, macht Halt und lädt mit dem typischen Song zum Eiskauf ein. Wieder ein paar Viertelstunden später und ein paar Straßen weiter steht er wieder da und endlich kaufen wir Eis, obwohl es gerade zu regnen beginnt. Wir passieren einen Waschsalon und viele kleine Obststandeln, an denen Kakteen und Maniok angeboten werden.
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Meine Tochter möchte, dass ich ihr eine Scent-message, eine Duftnachricht, aus dieser Stadt schicke.
Wonach riecht New York?
Es riecht vor allem nach Gras.
In der Bronx riecht es hie und da nach Urin, nach abgestandenem Fett, nach Motoröl.
Ab und zu riecht es nach Gegrilltem und relativ wenig nach Abgasen – viele Autos fahren elektrisch. Einmal nur, am East River, riecht es nach salzigem Meer (in Queens) und im MuMA in Queens – riecht‘s nach Farbe. In den Parks von Manhattan riecht es nach blühenden Bäumen. Nur zweimal während der Reise trinke ich Wein, der Sauvignon Blanc riecht nach Sauvignon Blanc. In der Subway und in Innenräumen (Hotel/Bars/Einkaufshäusern/Galerien und Museen) laufen meistens Klimaanlagen – da riecht es nach kühlem Staub.
Mein Reisegefährte weist mich auf den Jim Jamusch Film Ghost Dog hin. In ihm spielt ein Eiswagen eine zentrale Rolle. Es macht mich glücklich, zu wissen, dass ich jetzt in der Bronx sitze und diese Luft atme. Weil ich weiß, da werde ich ziemlich sicher so nicht wieder herkommen. Auf der Rückfahrt freundet sich mein Reisegefährte mit zwei jungen Mädchen an. Sie sind mit ihrer Mutter und zwei weiteren Geschwistern unterwegs und lachen hell und klar, während sie mit dem neuen Freund Grimassen schneiden. Sie steigen eine Station vor uns aus und winken aufgeregt zum Abschied.
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Diese kinderlosen Stunden, in denen jeder von uns seiner Arbeit nachging, erinnern mich heute an kollektives Träumen.
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Nachdem wir nun vier der fünf Stadtteile bereist haben, bekomme ich ein Gefühl dafür, dass hier 9 Millionen Menschen leben und das auf gar nicht allzu großem Raum.
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Unser Hotel befindet sich im Garment District. Wir laufen an zig Knopf-, Stoff- und Paillettenläden vorbei. Ich frage mich, wo die ganzen Schneider*nnen sitzen und arbeiten.
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The Vessel ist einfach eine Treppe. Ein Treppenkunstwerk.
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Der Lincoln-Tunnel hat 1,8 Billionen gekostet?!
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Bei der Post kaufe ich 10 Briefmarken. Hier treffe ich den ersten unfreundlichen Menschen in dieser Stadt. Ich kaufe die Marken trotzdem. Zu Hause möchte ich sie als Reiseempfehlung an einige Menschen verschenken. Hier schreiben wir auch die Karten, die wir später als Flaschenpost in den Hudson werfen. Auf der Pear 76. Ob sie es bis zum Atlantik schafft?
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Der Highline Park wurde auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse errichtet. Er erstreckt sich über viele Kilometer. Die Breite ist einer Bahntrasse angepasst – mal mehr, mal weniger. Es sieht sehr hübsch aus und natürlich sehr gepflegt, so wie (fast) alles hier. Kleine Hochbeete – die sind vermutlich zu mieten, um ein privates Gärtchen anzulegen, Blumenbeete, Sitzgelegenheiten und überall Aus- und Einblicke in die Stadt. Auch einige flachwurzelnde Bäume wurden gepflanzt. Ein Großteil von ihnen blüht jetzt. Leider müssen wir nach 500 Metern feststellen, dass der Weg (für weitere 500 Meter) wegen Reparaturarbeiten abgesperrt ist.
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Der Sauvignon Blanc in einer Bar in Queens.
Ein Gin Tonic auf dem Schiff.
Der Cocktail in der Winnies Jazzbar war schon wieder sehr gut.
Die drei Musiker des Abends sind es auch. Hier gibt es jeden Abend Jazztime. Die drei Burschen sind jung, der Bandleader sieht sehr skuril aus. Ich denke, das machen seine abstehenden Ohren. Er singt mit einer warmen, leichtfüßigen Stimme. Sein Klavierspiel ist virtuos. Mindestens einmal am Tag treffen wir auf eine Truppe die richtig gute Musik macht. An fast jeder Straßenecke groovt jemand, aber echt und gekonnt zum Beispiel … „we are family“ – während einer Demo der Arbeiter*innenbewegung 32BJ – SEIU . Es wird uns in Wien so langweilig sein, wenn wir zurückkommen!
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Demos kommen anscheinend des öfteren vor und gut an: vor der chinesischen Botschaft gegen die chinesische Regierung. Vor der Publik Library für Jesus Christus. Vor dem Supreme Court gegen Donald Trump. Die BlackLivesMatter-Bewegung in der Bronx.
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New York ist mir heute zu groß. Am Madison Garden, der Pennsylvania Station, herrscht dichtes Treiben.
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Mein Reisegefährte zeigt mir auf der Webcam vom Briant Park einen besonderen Blick auf den Hudson River. An dieser Stelle fand 2009 die Notlandung einer Inlandsmaschine statt. Aus den Aufnahmen dieser Kameras konnte rekonstruiert werden, was passiert ist. Das Flugzeug geriet in einen Schwarm von Flamingos oder Gänsen. Beide Triebwerke fielen wenige Minuten nach dem Start aus. Alle Menschen an Bord haben überlebt. Die Kameras sind geblieben. Wahrscheinlich ist ganz New York durchgescannt.
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Vom Hudson herauf zieht ein kalter Wind. Was in mir Innen vorgeht, kann ich nicht sagen. Das wird erst wieder daheim gehen, nach innen zu schauen. Zu sehen, was sich in mir abspielt. Wer ich bin und so. Wer ich nach dieser Reise sein werde.
Ich bin, weil du bist. Worauf es ankommt, ist, dass wir uns ständig mit anderen Menschen vermischen. In dieser Stadt probiere ich Vorstellungen von mir selbst an wie Kleider. Ich erfinde mich dauernd neu.
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Wir nehmen die Linie 7 nach Queens. Hier leben angeblich die Arbeiter und die Künstler. Wir besuchen die Außenstelle des MuMA. Viele Fläche, auf der wir zeitgenössische Kunst aus dem Vollen schöpfen. Und dann ist es fast still hier im Hof des Museums.
Wir setzen uns in die Installation „Space“ von James Turrell. Ein quadratischer Raum mit einer umlaufenden Sitzbank aus dunkelbraunem Holz. Im Plafond prangt ein großzügig ausgeschnittenes quadratisches Loch, das den Blick auf den Himmel freigibt. Durch diese Öffnung kommt frische Luft von draußen rein. Sie riecht nach Meeresbrise. In diesem Raum fällt besonders die Geräuschkulisse auf: Man hörte den Zug pfeifen – so ein Filmzugpfeifen, und man hörte den Wind. Mir scheint, der wichtigste Sinn in New York ist das Gehör. Die Stadt hat unzählige Geräusche, die sich an jeder Ecke zu einem neuen Klang verbinden.
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Ich habe gelesen, wer schreiben und vom Schreiben leben wollte, ging nach NY.
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Sie hat ein kleines Zimmer gemietet. Dort schreibt sie.
Sie liebt Straßen genauso wie Museen und läuft stundenlang in der Stadt herum und atmet den Müllgeruch ein.
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Die Stadt produziert sehr viel Müll. Der Bürgermeister kümmert sich schon. Aber das können wir in Mitteleuropa schon besser: Müll vermeiden und Müll sortieren. Wenigstens was 😉
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Auf dem Weg zum East River gehen wir an niedrigen Häusern vorbei, an einer weiteren öffentlichen Bibliothek und begegnen vielen orthodox-jüdischen Familien. Der Anblick dieser streng gelebten Glaubensrichtung (die Kleidung drückt wohl mehr als Folklore aus) ist mir unangenehm. “Williamsburg is not America“, sagt Esty, die Hauptdarstellerin in der Netflix-Serie „Unorthodox“. Über Williamsburg hinaus tragen die Menschen heuer Schlapfen. Oder Gummistiefel.
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Es ist kalt heute Morgen und sonnig.
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Ich möchte etwas über die Vögel schreiben, die zwischen diesen hohen Wolkenkratzern herumfliegen, nicht in großen Scharen, sondern meistens einzeln. Es sind Möwen und Spatzen. Oft erkenne allerdings nicht, um welche Art es sich handelt. Ich sehe Stare und Bussarde.
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Ein Lift bringt uns innerhalb von 20 Sekunden 100 Stockwerke rauf auf die Edge Plattform, ohne dass wir es merken.
Immer wieder werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass wir „schneller“ machen sollen. Am lustigsten ist dieser Hinweis an den Subway-Eingangsboxen, an denen wir unsere Karte durchziehen müssen. Das darf nicht langsam gehen! Zügig durch und dann ist man drinnen! Mit „langsam“ bleibt man draußen. Auch den Weg zur Edge Aussichtsplattform sollte man so schnell wie möglich nehmen, sonst stoppt alles. Oben ist alles wieder anders und man kann die höheren Gebäude von den niedrigeren unterscheiden. Eine Bildanimation erklärt uns die Hudson – River – Gebäudekomplexe, die Hudson Yards – wie sie mit dem Müll umgehen – er wird unterirdisch abtransportiert – dass sie mit Photovoltaik Strom erzeugen – dass ein Großteil des Regenwasser für die Bewässerung der Bepflanzung der Gärten rundum benutzt wird – dass viele neue Gärten angesiedelt werden, wir würden wohl eher Miniparks dazu sagen – dass es einen großen Generator für ein Blackout gibt –
Die Jeans sind in diesem besonderen Haus erstaunlich billig. Sie kosten um die 50 Euro. Natürlich gibt es auch Geschäfte, die keine Preise ausschildern. Und einen Laden für Hundezubehör. Der gleicht mehr einer Galerie, als einem Hundezubehörshop. Der Hund ist hier nicht Kinderersatz, sondern Kunstwerk.
Der Blick aus dieser Höhe auf den Central Park hat endlich den poetischen Zauber, den ich mir von diesem Park erhofft hatte.Die Poesie nimmt zu mit der Entfernung. Und sich inmitten des Häusergebirges einen doch relativ großen Grünraum zu leisten, schaut unverschämt aus. Von dieser Höhe gewinnt auch der schmale Park am linken Hudson – Ufer an Bedeutung. Das Grün verhält sich sehr weich zur Umgebung und die für NY so typischen Wassertanks sind ungezählt. Der Wolkenkratzer bewegt sich natürlich und meine Füße und Ohren gleichen es merkbar aus.
An exponierter Stelle macht ein junger Mann seiner Angebeteten einen Heiratsantrag. Hier ist man allerdings nicht allein. Es wird ihm applaudiert. Die zukünftige Braut weint.
Auf der Plattform trinke ich einen Pinot Noir aus Kalifornien, weil ich mir denke, ich sollte doch mal etwas Amerikanisches trinken. Ich überprüfe und stelle fest, dass ein aus Frankreich importierter Wein 1000 km weniger zurückgelegt hat als ein Wein aus Kalifornien!
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Ein ganz normales Leben mit ihm führen, das bedeutet, mit ihm auf Reisen zu sein. Mit ihm auf dem Weg zu sein. Interessant zu bleiben. Ich habe nichts im Talon, was er nicht schon kennt.
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Auf der Subwayfahrt nach Manhattan verschussle ich etwas mit meiner Metrocard – ich kommen nicht mehr rein zu den Bahngleisen. Eine freundliche Frau macht die Sicherheitstüren auf und die Sache ist bereinigt. Das möchte ich mir auch aneignen, in der Öffentlichkeit freundlicher und zuvorkommender zu sein. Das macht echt gute Stimmung. Während ich die Gesichter und Körper der anderen Fahrgäste aus den Augenwinkeln heraus sehe und nicht sehe, denke ich an eine warme Stube in Zweisamkeit. Ich rieche ihren Tabak- und Schweißgeruch, ihre Parfüms, und ihre Salben. Ich finde, Liebe gedeiht gut bei einer gewissen Distanz; sie verlangt ein ehrfürchtiges Getrenntsein, um zu bestehen. Ohne diesen nötigen Abstand werden die kleinsten körperlichen Äußerungen des anderen in der Vergrößerung abscheulich.
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Vince Giordano, der Bandleader der letzten Jazzpartie, der wir in „unserer“ Jazzbar zuhören, ist ein typischer Amerikaner, Dandy, Bassist, Sänger. Hier im kleinen Rahmen spielt er gemeinsam mit einem Pianisten, einem Trompeter und einem Klarinettisten. Darüber hinaus gibt es Abende, an denen wir eindeutig zu müde für den Besuch einer Jazzbar sind.
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Das nichtgespielte Hörbare
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Es ist kein Fernseher im Haus, und das führt uns zurück zu Unterhaltungsformen aus einer anderen Zeit. Jeden Abend nach dem Essen liest einer der Erwachsenen etwas vor, normalerweise ein Märchen.
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Ich kann viele Geschichten erzählen.
Dass wir uns das Konzert in der Verklärungskirche nicht anhören wollten, weil es wie ein Musical klang.
Dass es auch in Manhattan viele Obdachlose gibt.
Dass die Bepflanzungen in den Parks trotzt aller Echtheit künstlich aussehen, weil dahinter die Häuserblocks so hoch aufragen, dass selbst ein sehr kräftiger Baum wie ein Bonsai wirkt.
Dass die Selbstbedienungskassen in den Supermärkten auch nicht besser funktionieren, als bei uns daheim.
Dass ich sehr aufgedreht bin, weil diese hohen Häuser mich dazu zwingen, in die Höhe zu schauen und mich dadurch aufputschen.
Sind die vielen Autos eine Geschichte wert?
Sind die vielen Verkehrsampeln eine Geschichte wert?
Ist die gleichmäßige Blässe ihrer Winterhaut eine Geschichte wert?
Ist es Billy Joel wert, in den Madison Square Garden zu seinem Konzert zu gehen?
Vor allem aber erzählen die anderen:
… die vielen Männer, meist Schwarze, die am Flughafen Menschen im Rollstuhl von A nach B bringen
…die junge Mutter, vielleicht peruanischer oder chilenischer Abstammung, die in der U-Bahn verstohlen ihr Kind stillt, obwohl sie es bis zum Aussteigen aufschieben wollte
… die junge Frau mit asiatischem Aussehen, die auf ihrem Schoß ein dreistöckiges, in Hochzeitspapier eingewickeltes Paketarrangement hält. Sie trägt ein sehr kurzes, buntes Festtagskleidchen und auffälligen, bunten Schmuck in den Ohren.
Und:
Welche Geschichte erzählt der schlaksige, dunkelhäutige Mann, der mit heruntergelassener Hose seine Notdurft an der Metrostation direkt an der Straße verrichtet?
Was erzählt der Securitiyman, der am Ausgang der Publik Library lauthals und in Endlosschleife ruft: „Open your bags, come on, we are busy, open your bags ,…“?
Welche Geschichte erzählt uns die Frau des Klarinettisten an der Bar, die still in der Ecke sitzt und gespannt lauscht, was die Band da so treibt? Erst am Ende des Konzerts merken wir, in welcher Beziehung sie zu dem Musiker steht.
Welche Geschichte erzählt die stundenlang telefonierende Frau in der Bronx, die den Vormittag im kleinen Park vor der Polizeistation verbringt – nur unterbrochen von einem Gang zum Supermarkt?
Welche Geschichte erzählt die alte, demente Frau, die mit ihrer Tochter und zwei weiteren älteren Frauen zum Mittagessen in die Kneipe am Prospekt-Park kommt, oder besser gesagt, sie sitzt im Rollstuhl am Tisch, wird gefüttert und ganz unaufgeregt in das Tischgespräch einbezogen, obwohl sie sich verbal nicht beteiligen kann?
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Ich spreche ihn auf die verborgenen Erzählungen in seiner Arbeit an, und er sagt, für ihn seien Geschichten wie durch einen Körper fließendes Blut, Pfade eines Lebens.
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Mir fällt immer wieder ein, dass es eine der besonderen Reisen mit ihm ist. Gewesen sein wird. War. Es war einmal.
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Habe ich gesummt?
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Das Wissen, als Einzelne in der Fülle der Menschen etwas gestalten zu können, macht mich schwindelig, erzeugt einen unwiderstehlichen Sog. Dieses „Ich bin da. Ich bin einzigartig“, obwohl rund um mich viele verschiedenen Individuen unterwegs sind. Auf dieser Reise hat dieses Gefühl nichts Sakrales an sich, sondern etwas Humanistisches.
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Was ich empfinde, ist weder Hunger noch Durst noch sexuelles Verlangen. Es ist ein vages aber ständig nagendes Bedürfnis nach etwas Namenlosem und Unbekanntem. Ein Verlangen, in jemand anderem eine Passage zu öffnen, die noch weiter ins Alleinsein führt.
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Ein letztes Mal holen wir Suppe im Whole Goods Market. Mein Reisegefährte trinkt sein Bier aus einer Kiwisaftflasche. Ich trinke einen Cider aus einem Kaffeebecher. Wir legen zwei Kunstkarten von uns zwischen die Bücher im öffentlichen Bücherschrank im Bryant-Park. Die grüne Rasenfläche – im Winter wird sie als Eislaufplatz genutzt – wirkt wie eine große, grüne Meditationfläche – ist eine große, grüne Meditationsfläche.
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In Wahrheit haben wir doch alle einen Mann und eine Frau in uns. Schließlich sind wir aus einer Mutter und einem Vater entstanden.
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Auf der Fahrt zum Flughafen verlassen wir in Forest Hills die Subway und stoßen auf der Suche nach ein paar schönen Eindrücken auf die Forest Hills Gardens – eine von britischen Gärten inspirierte Siedlung. Die großen, freistehenden Häuser sind aus rotem Backstein gebaut. Es sieht idyllisch aus. Hier kaufe ich in einem Ramschladen zwei Reisesouvenirs. Ich erkenne keine Sprache der Menschen, die hier einkaufen.
An der Jamaica Station in Queens steigen wir in den selbstfahrenden/zweiwaggonigen Airtrain um. Die Jamaica Station ist der drittgrößte Bahnhof New Yorks und bedient unter anderem Long Island – den fünften Stadtteil, den wir nicht besucht haben. Etwa 500 Meter von der Station entfernt kaufen wir unser letztes Sandwich in einem Laden, in den ich normalerweise nicht alleine gehen würde. So etwas gibt es in Wien nicht. Eng, klein, vollgestopft. Die Kundschaft besteht aus jungen, dunkelhäutigen Männern. Ich werde freundlich bedient. Dass auch die Einkaufstasche kohlrabenschwarz ist, macht die Sache stimmig
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Alle Männer sind Gefangene ihres Schwanzes.
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Während des Fluges von JFK nach Wien schaue ich mir eine Doku über den Komponisten Ligeti an. Er wurde in Rumänien geboren, er ist Ungar und hat in Wien und Deutschland gelebt. Die Filmmusik im Odyssee-Film von Santly Kubick stammt von Ligeti. Ohne dass er es wusste, wurde sie verwendet. Seine Sonate für Bratsche, die gefällt mir sehr gut.
Wir fliegen mit 900 km/h über 11.000 Meter Höhe
Ich glaube, mein Lieblingsstadtteil ist Brooklyn. Da könnte ich mir vorstellen zu wohnen. In Manhattan ist das – nicht nur aus finanziellen Gründen – unmöglich. Zu krass. Die Bronx ist einfach am fremdesten – da hätte ich wohl ein bissl Angst, mich niederzulassen.
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Wie wird das Zurückkommen sein?
„Endlich“, sagt meine Tochter. Das tut auch gut.
Also, ich weiß nicht, ob New York für Amerika steht bzw. wie viel Amerika in New York steckt. Ich weiß, dass mir diese Stadt überraschend sehr gut gefällt. Wenn man kein Programm hat und am Morgen das Hotel verlässt, beginnt das schon, mit den Eindrücken.
Nach einer vollen Woche hat mich ein Sog erwischt, dem ich nachgebe. Die Stadt ist unwiderstehlich cool und ansprechend. Ich komme überhaupt nicht dazu, über etwas nachzudenken, weil so viele Ereignisse ungefragt auf mich einwirken. Es bleibt keine Zeit, um groß Pause zu machen, man will noch mehr. Und, es ist für jeden was dabei.
An jeder Ecke Livemusik vom Feinsten, gut und weniger gut angezogene Menschen, Design, Architektur, SEHR freundliche Menschen, viel Ordnung in der Unordnung, Kunst, Kunst, Kunst … das Essen ist auch nicht so schlecht, wie sein Ruf und die Preise sind nicht viel höher als in Wien – je nachdem wo man halt hingeht …
Vielleicht bin ich aber mittlerweile schon so konservativ, dass mir die Hochburg des Kapitalismus gefällt.
Natürlich freue ich mich darauf, wieder selber zu kochen 😉.
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Zu Hause angekommen, blüht der Holler, blühen die Akazien. Jetlag. In der ersten Nacht daheim lese ich die restlichen 2/3 von Siri Hustveeds New York Roman. Hier sind möglicherweise sehenswerte Orte und Straßennahmen aufgespannt. Im Radio höre ich, dass Patti Smith an der Penn Station einen jungen Musiker angesprochen hat, er solle fleißig sein, sie möge seine Musik. Sein Name ist Nik und sein neues Album heißt „Way To Be“. – Heute wird er auf Ö1 porträtiert.
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Nikolaus Dimmel und Alfred J. Noll sagen: „Zu viele Intellektuelle haben Europa im 2. Weltkrieg aus bekannten Gründen verlassen müssen. Die Menschen, die geblieben sind, haben so ein fürchterliches Kleinbürgertum entwickelt, das für die Demokratie nicht geschaffen ist“.
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Ich bemerke, die Leute sind hysterisch, wenn es um NY geht.
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Wie tun wir weiter?