Kitt


1
Manchmal langweilt mich mein Zuhören. Nicht das, was ich höre, langweilt mich, sondern das Zuhören selbst, diese komische aktive Zurückhaltung.  Mich langweilen meine Ohren, weil sie nicht anders können, als zuzuhören.

2
Ich erhasche zwischendurch Minuten, manchmal sogar Stunden der Innigkeit. Ich bin müde, lasse es zu, beobachte es. Ich schaue auf den Teich. Den Schwan. Die Enten im Flug. Die sprießenden Weiden.

3
Viele gehen weg aus unserem Dorf. Diejenigen, die zurückbleiben, leben in einer Welt aus verlassenen Gräbern und ungeborenen Kindern. Da bricht Panik aus. Wir brennen Schnaps im Sommer, um im Herbst einen Portwein anzusetzen und gründen einen Taschenfeitelverein. Der Griff meines Taschenmessers ist dunkelrot.

4
Ich finde ein ziemlich aktuelles Kinderbuch von Stephen Hawking im Büchertauschkasten in Niedersulz.

5
Jetzt bin ich schon den zweiten Tag am Stück im Haus in Niedersulz. Ich zünde im Hof ein kleines Feuer und Räucherstäbchen an. Der Mann füllt mit einem Freund den Souvignier Gris und die Donausorten in Flaschen ab. Anschließend essen wir gemeinsam zu Abend.  Wir reden über Christine Lavant und darüber, dass sie die Gedichtform für ihre Texte gewählt hat, damit im Dorf niemand genau versteht, wen oder was sie in ihrer Lyrik beschreibt. So schützte sie sich vor Angriffen.

6
Ich bin dieser temporären Selbstauswilderung vollkommen schutzlos ausgeliefert. Wir alle sind es. Nichts wird gut, nur weil es uns gut geht. Voller Verzweiflung suche ich nach dem passenden Symbol oder Wort, das ich auf die Fahne hefte, die ich unbedingt in Zukunft hissen muss!

7
Ich folge einer Geburtstagseinladung in ein Weinviertler Dorf, in dem ich zuvor noch nie war.  Das Navi führt mich über eine einspurige Kellergasse direkt zur Kirche.  Ein Verkehrsschild mit der Aufschrift „Vorsicht! Ziesel queren“ fällt mir auf dem Weg dorthin auf. In der Kirche warten viele Menschen auf die Liturgie, die das Geburtstagsfest einläutet. Der Jubilar sieht in seinem weißen Leinenanzug aus wie ein Priester, was er in früheren Zeiten ja auch war. Der Mann bezeichnet diese Zusammenkunft als Veteranentreffen. Wir wissen, es sind viele beseelte Menschen anwesend. Das Buffet zum Teilen ist reichhaltig, und ich mag es nach wie vor, dass jeder Gast etwas dazu beiträgt. Alles ist bunt. Wir nutzen die Gelegenheit, um uns zu verschwenden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert