Geschichtenerzähler
1
Ich liebe die Zeit zwischen den Jahren
2
Wir brauchen mehr utopische Erzählungen, sagen Ilija Trojanow und meine Freundin.
Sind wir für dieses lebendige, chaotische, intuitive Wissen begabt, frage ich mich? Sind wir nicht besser darin, analytische Distanz zu gehen und unser Wissen in unendlich viele Teile zu zerlegen?
3
Meine Geschichte ist eine komplizierte.
4
Sie gibt ihre Rolle als „älteste Schwester“ auf und pflanzt einen Feigenbaum an der Grundstücksgrenze zu einer ihrer jüngeren Schwestern.
5
Jemandem etwas zu erzählen, mündlich weiterzugeben, das ist eine Form von lebendiger Tätigkeit. Ein Kollege erzählt mir, dass er sich manchmal neben ein Krankenbett setzt und still ist. Weil er sonst gar nichts mehr tun kann. Einmal wurde er dabei von einer Frau vom Nachbarbett beobachtet und darauf angesprochen. Er solle doch auch für sie still sein. Aber laut! Sonst wirkt es nicht!
6
Ein Künstler redet im Radio über das Warten im Krankenhaus. Dass dieses Warten etwas sehr, sehr Antikapitalistisches hat.
7
Im Angesicht von Liebe und Tod beginnen wir Geschichten zu erzählen. Alles andere greift nicht.
8
Ich rechtfertige es nicht, es ist ein großes Spiel der Zuneigung. Es ist schön, was ich mit diesem Spiel treibe. Schönheit braucht sich nicht zu rechtfertigen. Die tiefsten Lebenswahrheiten werden erzählt, gespielt, gesungen, gemalt oder erahnt.
9
Wird man in einem Gespräch andere Akzente setzen, wenn man die Grenze zwischen Trauer und Trauma erkennt? Wird man anders aufmerksam sein? Und wie fügt sich der Traum dazu? Wird man über Geschichten miteinander reden?
10
Mein Schwager stürzt neun Meter tief von einer Kletterwand und seine Frau kommt aus dem Schock nicht heraus.
11
Normalerweise erlebe ich in öffentlichen Verkehrsmitteln immer wieder, dass die Leute sehr wenig Respekt voreinander haben. Eine Frau, die über beide Ohren grinst, ist in der U6 eine sehr seltene Erscheinung. Ich kann meine Augen gar nicht von ihr lassen, weil das so schön aussieht. Sie bemerkt es und grinst weiter.
12
Wie zuverlässig der Wind in Wien weht!
13
Von Dir wird gesagt, du liebst ohne Ende.
14
Die Menschheit ist verrückt aufeinander. Worüber soll man schreiben, wenn nicht über Sex und Freundschaft? Dafür sind wir auf der Welt.