Abends, im Schein einer Tranfunzel
… Martha kommt allerdings um 7 h morgens zu meiner Tür und schreit: „Tantile – Martha da!“ Wenn sie dann in meinem Bett sitzt, dann kannst Du Dir denken, wie ruhig es ist. Aber auch daran hab ich mich gewöhnt …
… Martha ist auch ziemlich schlimm, sie wird eben zu sehr verwöhnt. Aber sie bekommt ja ein Geschwisterchen, dann wird es schon anders werden …
1
Mir ist ein Brief meiner Tante an ihren Freund in die Hände gefallen. Er stammt aus dem Jahr 1968. Aus dieser Zeit kenne ich nur erzählte Geschichten über mich, nun liegt mir etwas Schriftliches vor, das eine kurze Episode aus meinen ersten Lebensjahren erzählt. Dieses Zeitdokument geht mir nahe. Ich suche in mir nach Erinnerungen, nach meiner Sicht auf die Situation an der Tür und auf dem Bett meiner Tante. Ich stelle mir vor, ich war wohl ausgeschlafen und neugierig und wollte ein Abenteuer mit meiner Tante erleben. Wie schön, dass ich (scheinbar) verwöhnt wurde. Ich bin stolz auf mich, wenigstens in diesem Alter schlimm gewesen zu sein.
2
Manchmal bin ich wütend: Wie naiv ich war! Mich so aufzusparen für einen Menschen. Mein ganzes Leben auf diesen auszurichten, während er längst seiner Wege gegangen ist. Und jetzt meine ich manchmal, es sei zu spät, mich auf die eigenen Füße zu stellen, weil all das zu verletzend wäre – selbst für mich.
3
Wir liebten einander. Wir waren vom gleichen Geist. Das steht beim Schottentor in Wien auf einem sehr großen Kunststoffrohr, das einige Meter über dem Boden quer über den Ring in die Querstraße führt. Ist es ein Kunstwerk?
4
Ich kann noch nicht schlafen. Die vielen Gäste und Veranstaltungen, die in Zukunft kommen, gehen mir durch den Kopf. Ich stehe auf. Ich mache mir eine Tasse Milch mit Honig. Wann war es das letzte Mal, dass ich so etwas getrunken habe? Es beruhigt mich. In diese Ruhe beginne ich mit der Speisenplanung: Rehmedaillons mit Eierschwammerlsauce und Nudeln. Melanzani-Auflauf mit Frühkartoffeln und Salat. Und viel Polenta.
5
Meine Aufmerksamkeit wird fast nur von Tatsachen absorbiert. Dabei möchte ich mich durch eine Welt aus Gedankengespinsten bewegen.
6
Abends im Schein einer Tranfunzel singen. Ein Kärntner Psalmenlied oder „Es führt über den Main …“