müdes Geschöpf
1
Ich bin ein schwitzendes, müdes Geschöpf. Mir ist schwindelig. Ganz egal, woran ich denke, was zu tun wäre, es würde zu viel Energie kosten.
2
Beim Wandern um die Fischteiche stellt mir ein Mann nach. Ich halte davon gar nichts. Es muss für ihn eine andere Lösung geben, um seine Triebe und seiner Einsamkeit in den Griff zu bekommen. Ich ärgere mich darüber, dass ich mich darüber ärgern muss, wie plump er daherkommt.
3
Der Kellner in Wien Mitte ist rotzfrech. Ich gebe ihm einen Zwanzigeuroschein und er probiert, mir auf einen Zehner herauszugeben. Ich schau ihn an und nach kurzem Zögern gibt er mir den fehlenden Schein. Schnell verlässt er meinen Tisch.
4
Der halbe Tag an der March war perfekt. Wir entdecken den Flusseinstieg in Stillfried, indem wir beim Stillfrieder Bahnhof über den Bahnübergang und dann gleich links in den Auweg hinein ins Fahrverbot fahren. Dann gibt es noch einen verwunschenen Vogelteich bei Stillfried. Am besten überquert man den Bahnübergang vor Grub und fährt auf dem Feldweg in südlicher Richtung. Der Teich hat die Form eines Kipferls. Wenn ich mich recht erinnere, sieht man ihn auch von der Bahn aus.
5
In der Nacht holt mich die Melancholie ein. Ich sehe mir unser Hochzeitsfoto an. Die Nacht ist ein faszinierendes System. Ich sollte auf die Wiese hinaus gehen und schauen, wie sich die Grasnelken oder der Waldstorchenschnabel im fahlen Licht der Dunkelheit zeigen. Dann könnte sich die Melancholie verflüchtigen.
6
Vier Tage nach meiner Rückkehr aus Deutschland wasche ich mich zum ersten Mal.
7
Der Tod wird unwirklich, wenn es nur mehr wenige Tagesreisen bis hin zu ihm sind. Mit dem Verstand kann ich nicht begreifen, dass der Verstand sterben wird.
8
Ich will nicht sterben, ich will, dass das Leben sich noch ein weniger länger durch die Risse quetscht, ich will den Sonnenstrahl auf dem Handrücken spüren.
Auch wenn ich nichts hätte als tränengetränkte Erinnerung, die ich wiederkäuen kann, will ich noch eine Weile leben.
9
Dieser Mensch ist reine Empfindung.