Toleranz


1
Wer darf Bruder zu mir sagen?“ „Meine Schwester. Und sonst genau niemand!“ 

2
Meine Schwester sagt sich selber immer öfter einen kurzen Befehl, bevor sie mit bestimmten Menschen telefoniert. Der Befehl hängt mit den zu erwartenden Gesprächsinhalten und der Gesprächspartnerin zusammen.
Milde!“,Atmen, atmen, atmen!“,Freundlich bleiben!“, oder „Pfeif di nix! sind u.a. solche Mantras.

3
Mein Mann hat einfach vergessen, mich zu verlassen.

4
Ich sitze an der Simmeringer Hauptstraße. Der 71er fährt zwischen Kaiserebersdorf und der Börse. All das hier ist Klischee: Die MA 48 holt den Mist ab. Wien macht gutes Klima. Der Postler bringt die Post. Frei von CO₂. (Kolleg*innen gesucht). Eine im Tschador versucht gemeinsam mit drei Kindern die Straße zu überqueren. Sie kichern, weil es so lange nicht gelingt, weil immer wieder ein Auto daher kommt. Die Kaffeehausbesitzerin wird in einem Jahr in Pension gehen. Ob das Lokal von ihrer jüngeren Schwester weiter geführt wird, ist fraglich. Sie serviert zur Marmeladesemmel ein Erfrischungstuch, das ich sehr gut gebrauchen kann, weil ich mir natürlich die Finger mit Sauerkirschmarmelade klebrig mache. Jetzt legt meine Kaffeehausbesitzerin grüne Tischdecken auf die Stehtische, die sie am Tischfuß festbindet. Auf den Tischen liegen grüne Mitteldeckchen. Alles passt adrett zusammen und wirkt trotzdem abgelebt. Kurz vor der Pension. Die grau-beigen gegenüberliegenden Fassaden wirken genauso abgenutzt. Sie haben Alufenster mit verschlissenen Jalousien davor, die die Sommerhitze aussperren sollten. Drei Stöcke hat das Haus. Das Erdgeschoss wird von einer Billig-Supermarktkette eingenommen. Da herrscht reges Kommen und Gehen. Die Platanen wurden vor geschätzten 50 Jahren zwischen Straße und Tram-Fahrbahn gepflanzt. Sie beherrschen die Situation und kompensieren die Baufälligkeit der Umgebung. Hier möble ich auch meine Vorurteile gegenüber muslimischen Männern auf. Er, das Oberhaupt der Familie, kommt in Turnschuhen, kurzärmeligem T-Shirt und einer smarten Uhr am rechten Handgelenk daher. Sie, die Frau trägt die Ganzkörperverhüllung, die nur das Gesicht freilässt. Sie trägt die zwei gefüllten Einkaufstaschen. Zur Kleingruppe gehören auch sechs Kinder. Es sieht nach Söhnen aus. Können natürlich auch zufällig eingesammelte Jungscharkinder sein.  Alle acht Personen betreten die Bank, vor der schon die ganze Zeit ein Wachebeamter die Stellung hält.

5
Spontane Schönheiten. Jetzt. Sammeln.

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