Rauchwolke



1
Ein Gedanke fliegt am Morgen wie eine Rauchwolke vorbei, eine ganz helle, kaum sichtbare: vielleicht denke ich viel zu sehr nur an uns und lasse so viele andere Menschen um mich links liegen.
2
Sie spaziert mit mir durch die Stadt. Vor dem Supermarkt treffen wir einen Obdachlosen. Er ist einer von sechs im Städtchen. Für zwei von ihnen hat sie schon ein Winterquartier gefunden. Dieser eine meint, sie solle ihm einen guten Schlafsack besorgen, damit er auch im Freien übernachten kann und nicht am Bahnhof. Sie spricht mit ihm sehr pragmatisch, klar und auf Augenhöhe. Sie nähert sich mir mehr und mehr.
3
Ich bekomme rote Schuhe aus Venedig geschenkt.
4
Sie sagt mir, dass meine zeitweilige Manie, die mich dann in die Erschöpfung treibt, nicht so schlimm ist. Ich sei doch Künstlerin. Und die leben eben so. Das ist sehr großzügig von ihr gesprochen!
5
In der Portiersloge tauschen wir einige Geschichten über den verstorbenen Krankenhauspfarrer aus. Er war zeitlebens ein Grenzgänger. In seinen sehr späten Jahren hat er Obdachlose in der Sakristei versteckt und diejenigen, die ihn ständig um Geld angepumpt haben, mit seinem letzten Hemd unterstützt. Er hat Autofahrten als Geisterfahrer auf der Autobahn überlebt und ständig andere Autos beim Ein- und Ausparken beschädigt, ohne es zu bemerken. Er glaubte an die Existenz Gottes und an ein Weiterleben im Paradies. Er hat an ein leidenschaftliches und kompromissloses Leben geglaubt. Den Portieren hat das getaugt.
6
Ist der Mensch erst am Sterbebett gut? Der Mensch ist erst am Sterbebett gut.
7
Musik, die im Nebenbei im Raum schwebt …