Brille tragen

1
Ein paar Einblicke in Galerien im ersten Bezirk sind uns gewährt. Hohe, weiße Räume mit ausgewählter Kunst an den Wänden. Ich kann mich heute nicht auf eine neue, fremde Biografie einlassen. Es ist ähnlich, wie in einem Buch zu lesen. Es lenkt ab. Von der Stille im Rosengarten, die ja immer Saison hat. Der Franziskanerplatz, das Kleine Café sind die Entdeckung des Tages. Der Inhaber des Kaffeehauses ist ein Schauspieler, der im Film „Before sunrise“ mitgespielt hat, so wie sein Café. In der Jesuitenkirche binde ich mir die Schnürsenkel meiner roten Stiefel zu. Die Herbstsonne und ein leichter Wind machen Wien bezaubernd – wir gehen zufrieden durch die kleine Allee im Innenhof des AKH wieder zurück zur U-Bahn und fahren nach Hause. Das tu ich gern, nach Hause fahren, wenn ich weiß, daheim ist es warm.

2
Die Ausbildung zur Lehrerin geht völlig an der Praxis vorbei, sagt die Lehramtsanwärterin, es gibt kein Handwerkszeug für die Aufgaben, die auf sie zukommen. Für Mathe vielleicht am ehesten noch, aber sonst schon gar nixi. Sie sammelt lustige Brillen und anschauliche Bilder: „Diese schicken Eltern von den Kindern auf dem Land sind unausstehlich. Da fühle ich mich doch in den Brennpunktschulen der Großstadt viel wohler! Und das Meer in Porto hat bis zu 35 Meter hohe Wellen!

3
Wie man eine gute Ehefrau ist: Mindestens 90 Prozent der Dinge, die einen nerven, hinter sich lassen. Daran arbeite ich. Ich bin bei etwa neun Prozent angelangt.Und die Frage, ob ich eine gute Ehefrau sein will, sollte ich mir wohl nicht mehr stellen.

4
Hoffentlich kommt die rosa Brille rechtzeitig an, die ich ihm zum Geburtstag bestellt habe.

5
Ich überlege, die eigenen Kinder, Männer und Frauen wieder viel mehr zu berühren, als Selbstverständlichkeit. Ich überlege, Monologe zu halten und anderen zuzuhören, die monologisieren, ausführlich über Kunst zu sprechen und dann zu tun, wofür wir auf der Welt sind.

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